Via Großglockner nach Kroatien

München - Porec

5 Etappen

741 Kilometer

8170 Höhenmeter

Teilnehmer: Dominik, Fabian, Peter

 

Von München an die kroatische Adria nach Porec. Für dieses Jahr haben wir uns einiges vorgenommen - vor allem einige Kilometer. Nachdem wir im Vorjahr den Reizen der französischen Westalpen erlegen sind und jeden Tag einen anderen Gipfel erklommen haben, wollen wir in diesem Jahr durch die Hohe Tauern über die slowenischen Kalkalpen und das kroatische Hinterland ans Meer.

Am Zielort wartet als Belohnung eine Woche Urlaub im Ferienhaus - wir radeln quasi in den Urlaub. 

 


Die besonderen Highlights sind in diesem Jahr zum einen die Großglockner Hochalpenstraße, ein Anstieg über 32 km auf 2505m sowie später in Slowenien der Vrsic-Pass, der höchste Pass des Landes. Zudem freuen wir uns auf viel Unbekanntes, denn Rennradfahren in Slowenien und Kroatien war noch niemand von uns. Leider kann uns Kjell dieses Jahr nicht begleiten, er tanzt einfach auf zu vielen Hochzeiten in diesem Sommer. Seine Tour des Alpes-Premiere feiert dafür Peter, unser schwäbisches Kraftpaket, der sich seit dem Winter darauf vorbereitet hat. 

Etappe 1: München - Kitzbühel

138km

1100hm

Klassischer Start der Tour ist wieder der Münchner Süden. Die Landeshauptstadt verlassen wir über den Perlacher Forst und gelangen über kleine Dörfer und ruhige Nebenstraßen nach Holzkirchen. Wir passieren Ortschaften wie Osterwarngau, Allerheiligen oder Einhaus um über Miesbach zum Schliersee zu kommen. Ein kleiner Stau auf der Landstraße bremst uns ein wenig aus.

 

Hier noch eine lieb gemeinte Aufforderung an alle Autofahrer: Liebe Leute, wir wollen euch nichts böses und rauben euch auch wirklich keine Zeit, wenn wir im Stau oder bei Schritttempo-Kolonnenfahrt an euch vorbei fahren - am liebsten rechts. Nehmt doch einfach ein bisschen Rücksicht und macht uns ein wenig Platz, anstatt mit Fleiß uns auch noch extra den Weg zu versperren. Davon hat keiner was. Danke!

 

Nach dem Schliersee und dem Markus Wasmeier-Museum geht's auf der Alpenstraße weiter nach Bayerischzell. Beim Tengelmann, der höchstwahrscheinlich mittlerweile ein Edeka ist, rasten wir und stärken uns. Über die Tiroler Straße, eine herrliche leicht abfallende ruhige Talstraße, gelangen wir nach Österreich und nach insgesamt ca. 100km in die schöne Stadt Kufstein. Von dort aus geht es zum Wilden Kaiser immer leicht ansteigend vorbei an den beliebten Tages-Skiorten der Münchner Ellmau und Going in Richtung Kitzbühel. Es ist die Hauptverkehrsstraße in Richtung Kitzbühel, die wir hier nehmen müssen. Dementsprechend groß ist das Verkehrsaufkommen - leider auch mit viel Lastverkehr. Nicht so nice zum Fahren. Zudem stehen wir an einer Baustelle dann im Stau - eine Premiere für uns - denn an den LKW’s ist für uns auf der Landstraße kein Vorbeikommen. Als es wieder rollt biegen wir kurze Zeit später in Richtung Schwarzsee ab und erreichen bei Kilometer 136 unsere Unterkunft in Kitzbühel. Beim Italiener um die Ecke lassen wir es uns abends gutgehen. Keine ganz leichte Etappe zum Auftakt…



Etappe 2: Kitzbühel - Lienz

148km

2860hm

Großglockner-Day, das Dach unserer Tour. Etwas untypisch, dass uns bereits am zweiten Tag der größte Brocken im Weg steht. Aber wir wollen ja schließlich in den Süden - deswegen ist die Etappe mit knapp 150km auch relativ lang. Bevor uns diese berühmte Passstraße bevor steht, ist es jedoch noch ein wenig hin. Von Kitzbühel aus müssen wir zuerst über den Jochberg auf den Pass Thurn klettern. Große Probleme bereitet er uns nicht, aber ein paar Körner raubt er uns mit Sicherheit. Anschließend rollen wir auf dem Pinzgauradweg in der Ebene rund 30km entspannt entlang. Nach rund 60 Tageskilometern sind wir schließlich in Bruck an der Großglockner Hochalpenstraße, unserem Ausgangspunkt zum Anstieg. Kurze Rast am Supermarkt und dann kann es im Prinzip losgehen.

 

Was genau liegt vor uns? Auf einer Länge von 32 Kilometern müssen wir fast 2000 Höhenmeter überwinden, um zuerst das Fuscher Törl auf 2428 Meter und danach das Hochtor auf 2504 Meter zu passieren. Die Durchschnittssteigung des Großglockners wird mit 6,2% angeben, was allerdings die pure Untertreibung ist, auf die wir auch böse reinfallen. Denn die ersten ca. 8km geht es nur bei ca. 1-2% aufwärts, später 4 Kilometer mit ca. 4-5%. Heißt: danach muss es dauerhaft steil werden, um auf einen Schnitt von 6,2% zu kommen. So ist es dann auch ab Kilometer 12. Bis zur Mautstation Ferleiten, die bei Kilometer 15,5km den Autoverkehr stoppt und zur Kasse bittet, ist es schon recht knackig.

 

Und danach kennt der Anstieg keine Gnade mehr. 11km mit im Schnitt 10% und Spitzensteigungen von 13% liegen vor uns bis zum Fuscher Törl. Es ist Kampf pur - der Berg gibt einen keine Erholung,    nicht einmal eine kleine Verschnaufpause. Das liegt auch daran, dass er anders als das Stilfser Joch beispielsweise, nicht sehr serpentinig ist und man es nicht in Kurven ein wenig Rollen lassen kann, um die Beine zu lockern. Wahnsinn - die Oberschenkel brennen und auf dem Fahrradcomputer ist der Steigungswert konstant höher als die Geschwindigkeit. Während es bei Fabian und Peter etwas flüssiger läuft - Peter hat sogar die Muse mitten am Berg „Coco Jambo“ zu trällern - muss Dominik arg kämpfen. Da fällt es schwer die Aussicht zu genießen und Ausschau nach den Murmeltieren zu halten. 


Irgendwie oben ankommen, egal wie - das ist die einzige Devise


Dann wird es auf einmal doch kurvenreicher und das Zwischenziel Fuscherl Törl rückt ins Blickfeld. Das motiviert und setzt noch ein paar Zusatzkräfte frei. Oben angekommen bleibt keine Zeit zur Freude - es weht ein eisiger Wind und noch liegen ja einige Höhenmeter vor uns. Zuerst geht es jedoch ein paar Meter bergab. Die Abfahrt dient uns auf jeden Fall ein wenig zur Erholung und das Schlimmste haben wir bereits hinter uns. Jetzt einfach noch das Hochtor erklimmen und gut ist. Fabian findet einen starken Tritt, klettert flüssig Kehre um Kehre höher und fährt erwartungsgemäß als Erster in den dunklen Hochtortunnel. Auch Peter und Dominik finden ihren Tritt und meistern die Serpentinen etwas gemächlicher. Nach Fabian ist Peter der Zweite am Hochtorpassschild und wenig später kommt auch Dominik aus dem dunklen Tunnel hervor. Geschafft! Nicht die Etappe, aber zumindest den Anstieg. Auch am Hochtor ist es ziemlich frostig und windig, den schneebedeckten Gipfeln widmen wir nur kurze Blicke.

 

Dann ziehen wir die Regenjacken über und stürzen uns in die Abfahrt runter nach Heiligenblut und dann weiter auf der Bundesstraße Richtung Lienz - wir haben bereits über 130km in den Beinen und machen im belgischen Kreisel bei leichtem Gefälle und einem Tempo zwischen 35-38km/h Kilometer um Kilometer. Bei Winklern geht es dann rechts weg und weil Pässefahren heute so einen Spaß macht dürfen wir nochmal ran. Denn unserem Ziel in Lienz steht noch der Iselsberg im Weg - 264hm verteilt auf 3,7km bei einer Steigung von 5,3%. Die gehen wir flüssig an. Mitten am Anstieg meldet sich unser Unterkunftsbesitzer telefonisch und fragt, ob und wann wir denn kommen. Es ist schließlich bereits 19:00 Uhr. Also rauf auf den Iselsberg und direkt hinein in die Abfahrt nach Lienz. Bei Kilometer 148 sind wir da - platt, geschafft aber durstig und hungrig. Und auch heute Abend fällt unsere Wahl auf einen Italiener. Danach heißt’s „Bonna Notte“!

 




Etappe 3: Lienz - Villach

120km

400hm

Strahlender Sonnenschein begrüßt uns am Morgen in Lienz. Nach den Strapazen von gestern fällt das Aufstehen wahrlich schwer, aber die Aussicht auf ein gutes Frühstück sowie eine relative entspannte Etappe über 120 meist flache Kilometer stimmt uns positiv. Unsere Pension befindet sich direkt am Marktplatz, gefrühstückt wird bei einem der Cafés mitten im Zentrum. Wir können bereits auf einen der zahlreichen Tische im Außenbereich Platz nehmen, müssen uns allerdings noch ein wenig gedulden. Denn heute ist Fronleichnam und die Prozession unter freiem Himmel findet direkt auf dem Marktplatz statt und ist noch im vollen Gange. Eine viertel Stunde später bricht der Prozessionszug mitsamt der Kapelle auf und pünktlich um 9:00 Uhr wird im Café das Frühstück serviert. Es ist schon ziemlich warm, deswegen gönnen wir uns nach Wurstsemmeln und Rührei in der Gelateria noch ein Eis bevor es losgeht. Muss auch mal sein.

 

Heute haben wir zwei Optionen - entweder wir fahren die 120km bis Villach auf der B100 oder wir nehmen den Drauradweg, der allerdings nicht durchgängig asphaltiert wird. Da der Anfang des Drauradwegs in Lienz ein kleiner Singletrail ist, der am Feld entlang geht, entscheiden wir uns zunächst für die Bundesstraße. Allerdings ist das Verkehrsaufkommen dermaßen hoch und die Landstraße nicht breit genug, dass uns die Autos bei Gegenverkehr überholen können, sodass wir nach ein paar Kilometern auf den Radweg umsatteln. Hier fährt es sich gleich viel angenehmer. Der meiste Teil des Radwegs ist asphaltiert, an ein paar Schotterpassagen kommen wir allerdings nicht vorbei. Die sind jetzt nicht der Hit, aber lassen sich trotzdem mit unseren Rennern (23mm bzw. 25mm Bereifung) locker bewältigen. Nur ein längeres ca. 5 Kilometer unbefestigtes Teilstück umgehen wir auf der Straße. In Spittal an der Drau kehren wir in einem Café am Marktplatz ein - dieser ist mit zahlreichen Palmen bepflanzt, da kommt so richtig Urlaubsflair auf. Soweit sind wir aber noch nicht. Doch auch die restlichen 40km bis Villach, das uns vor allem als Autobahndrehkreuz zum Karawankentunnel bekannt ist, stellen für uns keine Probleme dar. Mit Gösser Radler und Burger mit Pommes lassen wir den Tag ausklingen.

 




Etappe 4: Villach - Cerkno (Slowenien)

157km

1770hm

 

Die Etappe fängt mit einer sehr erfreulichen Tatsache an: wir sind die Rucksäcke los. Denn unser „Begleitauto“ stößt heute zu uns. In Cerkno haben wir ein paar Zimmer auf einem Ferienhof mit Pool gemietet und hier treffen wir später auf unsere Frauen und Freunde. Und da ihr Weg sowieso über Villach führt, nehmen sie uns dankenswerterweise unseren Ballast ab, den wir an der Rezeption hinterlegen. 


Aber nun zur Etappe. Auf diesem Abschnitt haben wir uns besonders gefreut. Zum einen weil mit den Vrsic-Pass wieder ein toller Anstieg, dessen Kehren mit Kopfsteinpflaster versehen sind, auf uns wartet. Zum anderen sind wir auf die Landschaft in Slowenien, ein Land, das wir noch gar nicht richtig kennen, sehr gespannt. Tolle Reiseberichte haben wir hierzu bereits gelesen und spektakuläre Bilder von türkisblauen Wildbächen im Kopf. 

 

Villach verlassen wir in westlicher Richtung nach Arnoldstein, wo wir bevor es nach Slowenien geht erstmal Kurs in Richtung Italien nehmen. Bei Tarvisio überqueren wir die italienische Grenze und biegen wenige Zeit später auf den Alpe-Adria-Fahrradweg in Richtung Kransjka Gora ab. Der Radweg entpuppt sich als Wucht. Denn die alte Bahntrasse, die frisch asphaltiert und zum Radweg umfunktioniert wurde, führt uns mitten durch die Natur, fernab vom Transitverkehr und ermöglicht es uns, die Landschaft so richtig aufzusaugen. Der Radweg führt uns direkt nach Kransjka Gora. Im bekannten slowenischen Winterskiort ist auch im Sommer einiges geboten - neben Wanderern kommen vor allem Mountainbiker auf ihre Kosten - insbesondere Downhiller, die spezielle Abfahrtsparks vorfinden. Viele Fahrradverleihs sind an den Liftstationen - das nützt Dominik aus und lässt sein Hinterrad checken, das etwas Spiel hat. Fabian und Peter machen sich auf zum Supermarkt und organisieren den Mittagssnack, der aus Croissant, Banane und Cola besteht. Sehr günstig sind die Preise hier, das sei noch gesagt. 

 

Nach der Stärkung beginnt in Kransjka Gora für uns direkt der Anstieg zum Vrsic-Pass. 10,3 Kilometer und 750hm bedeuten eine Steigung von 7,2%. An den steilsten Passagen wird es sogar  bis zu 14% steil und die 24 Kehren sind mit Kopfsteinplaster belegt. Klingt doch alles sehr attraktiv und wir gehen, auch dank der fehlenden Rucksäcke, topmotiviert und dynamisch in den Anstieg. Leider erfolgt die Ernüchterung kurze Zeit später: Stau. Wir schlängeln uns zuerst an den Autos vorbei, müssen dann aber doch ausklicken und anhalten, als wir bei einer Baustelle vor der roten Ampel stehen. Die Straße ist hier nur einspurig befahrbar, was aber viel schlimmer ist: Aufgrund der Bauarbeiten ist der Belag schlammiger, tiefer Kies mit zahlreichen dicken Steinbrocken und kein Asphalt. Die ersten 100-200 Meter versuchen wir uns artistisch durchzuschlängeln, aber keine Chance, wir müssen schieben. Oh Mann, das haben wir uns anders vorgestellt. Und kaum haben wir wieder aufgesattelt und ein paar Kehren auf gewohnte Art und Weise erklommen, bietet sich uns das gleiche Bild ein zweites Mal. Peter zieht aus seiner Trikottasche passenderweise ein Snickers, wenn’s mal wieder länger dauert. Das letzte Teilstück des Passes können wir wieder auf dem Sattel in Angriff nehmen und hintenraus wird er am steilsten. Jedoch fühlen sich die 14%-Rampen bei weitem nicht so heftig an wie die 11%-Steigung am Großglockner mit Rucksack. Kurz vor dem Gipfel versperrt uns noch eine Schafsherde kurz den Weg - und dann ist es geschafft und wir sind oben auf 1611m. Kurzes Pause, dann geht's weiter.

 

Wir stürzen uns in die sehr kurvenreiche und steile Abfahrt in Richtung Bovec, denn dort werden wir bereits zum Kaffee von unseren Freunden erwartet. Die Fahrt durch das Soca-Tal ist wirklich bezaubernd. Die Julischen Alpen sind eine Pracht, geprägt von den Kalkfelsen und dem türkisblauem Flussverlauf, der besonders Rafting-Fans anzieht. Wir erreichen das Café gerade noch rechtzeitig, denn urplötzlich ist ein Wetter aufgezogen und es fängt sintflutartig an zu regnen. Wir schützen uns zuerst unter einem großen Schirm, flüchten dann aber ins Lokal. Wie aus dem Nichts zieht das Wetter weiter und blauer Himmel und Sonnenschein geben sich wieder die Ehre. Nun heißt es für uns weiter geht’s, denn wir haben erst die Hälfte der Etappe hinter uns - jedoch bereits zwei Pausen eingelegt - und noch knapp 70 Kilometer vor uns. 


Die Landschaft bleibt spitze, unsere Route führt uns teilweise über kleine, ruhige Sträßchen weiter das Tal entlang. Doch das Etappenziel mag irgendwie nicht näher kommen, die letzten 20 Kilometer, die wir nun wieder auf der Bundesstraße haben, fallen uns nicht leicht, der Tritt wird schwerfällig. Erschöpft schleppen wir uns ins Tagesziel und erreichen nach fast 160km unsere „Tourist Farm“. Wir freuen uns auf das Abendessen und Peter sich zudem auf seine erste Zigarette seit vier Tagen 😉

 



Etappe 5: Cerkno - Porec

180km

2040hm

 

Uns erwartet zum Finish die längste Etappe, die wir je an einen Tag gefahren sind: 180km als krönender Abschluss. Die Route führt uns vor allem durchs slowenische und kroatische Hinterland. Wir versuchen die bekannten Touristenlandstraßen bestmöglich zu vermeiden, was gar nicht so einfach ist. Denn allzu viele Wege führen nicht über die Grenze, aber dazu kommen wir noch…

 

Die ersten 60 Kilometer folgen wir immer der Landstraße, die ein welliges ansteigendes Profil aufweist. Mit dem Rennrad sind wir hier wirklich Exoten. Es geht vorbei an den Ortschaften Idrija und Kalce nach Postojna, das wir nach 60km erreichen. Dort legen wir im Industriegebiet beim  örtlichen Supermarkt einen Stopp ein: Wir entscheiden uns gegen den Aldi und für den Lidl. Schon irgendwie verrückt - alles wie zu Hause. Die nächsten 20 Kilometer bis zu einem Abzweig nach Prem müssen wir uns die Straße mit dem Urlauberverkehr teilen - wir zählen ja auch dazu. Es ist Samstag und Ab- und Anreisetag und viele (Camping)Urlauber, die frühmorgens in Bayern gestartet sind, holen uns nun ein. Es ist für uns kein schönes Teilstück, die Straße ist kurvig und eng und wir wollen den Verkehr auch nicht zu sehr behindern. Wir sind froh, als wir die Bundesstraße verlassen und über die kleine Reka-Brücke in Richtung Prem abbiegen. Hier sind wir nicht nur die einzigen Radfahrer, sondern sogar die einzigen Menschen auf der Straße. Das Profil bleibt wellig aber ohne Stress im Rücken fährt es sich gleich viel angenehmer. Über die Dörfer Celje und Huje erreichen wir Obrov, wo wir die 100km-Grenze der heutigen Etappen knacken.

 

Grenze ist ein gutes Stichwort, denn die wollen wir demnächst passieren. Kurz nach Golac führt ein kleines Sträßchen in den Wald, das auf kroatischer Seite in Vodice wieder rauskommt. Bei Google Maps war das leider nicht einzusehen, aber wir rechnen mit ca. 5-8 Kilometer Schotterpiste. Der Grenzübergang liegt abgeschieden fernab der Autorouten und war sowohl in Landkarten als auch auf Bikemap als Fahrradweg eingezeichnet. Dass keine Menschenseele unterwegs ist, wundert uns nicht sehr - es war ja auch auf den Nebenstraßen außer uns kaum jemand zu sehen. Wie erwartet wird der Weg schnell zur Schotterpiste, die allerdings nicht so schön feinkörnig ist wie am Drauradweg sondern grob und spitzsteinig. Im Grunde überhaupt nicht fürs Rennrad geeignet. Langsam balancieren wir über den Geröllweg, um ja einen Platten zu vermeiden. So kommen wir nur langsam, aber kontinuierlich Meter um Meter auf der ansteigenden Technikpassage voran. Vom Gefühl her müssten wir aber eigentlich schon in Kroatien sein, denken wir nach ca. 20 Minuten - einen Grenzstein haben wir allerdings noch nicht gesehen. Als wir nach ca. 5 Kilometer Schotterpassage um eine Linkskurve biegen, trifft uns dann fast der Schlag. Ein großes Eisentor mit Schranke, das links und rechts von ca. 2 Meter hohem Panzerdraht erweitert wird, versperrt uns die Weiterfahrt. Die Grenze ist geschlossen! Im Zuge der Flüchtlingswelle wurde dieser eigentlich offene Grenzübertritt nun wieder verbarrikadiert - unser Weg endet hier. 

Die Komik dabei - eigentlich soll vermieden werden, dass illegale Flüchtlinge über diesen Weg aus Kroatien nach Slowenien in die EU einreisen. Nun versperrt der Wall jedoch uns Radtouristen den Weg aus der EU raus nach Kroatien. Welchen Spiegel hält uns das Leben hier vor? Wir befinden uns an einem einsamen Hang inmitten einer Hügellandschaft und sehen bereits in der Ferne die Straße, auf der wir weiterfahren wollen. Wir legen die Räder zur Seite und prüfen die Optionen. Ein Blick auf Google Maps zeigt, dass umkehren und die Ausweichroute über die Hauptstraße Richtung Rijeka für uns einen Umweg von ca. 60km bedeuten - macht dann bei einer Etappe von 180km plötzlich 240km. Den Grillabend im Haus mit Cevapcici und die Aussicht auf einen kühlen Sprung in den Pool sehen wir schwinden. Umdrehen ist für uns keine Option.

 

Wir müssen an dem Scheiß Ding vorbei. Drüber können wir nicht, das ist mit den Rädern und unseren Schuhen unmöglich das 2m hohe Tor, das oben ungemütliche Zacken aufweist, zu überklettern. Also müssen wir an der Seite vorbei. Peter nimmt das ganze in die Hand. Irgendwie müssen wir den Panzerdraht, den wir noch aus Bundeswehrzeiten kennen, zur Seite schieben, um uns am Hindernis vorbeizuschlängeln. Vielleicht mit Ästen und Stöcken? No Chance - das Holz zerbricht sofort. Was liegt hier sonst noch so rum? Nicht viel - vor allem Steine. Peter und Fabian suchen sich dicke Brocken aus und schaffen es tatsächlich nach etwa 5 Minuten damit einen kleinen Spalt zwischen Panzerdraht und Tor reinzudrücken. Er ist nicht groß, aber er reicht aus. Fabian schlängelt sich als Erstes dran vorbei und steht in Kroatien. Der Länderpunkt gehört erneut ihm. Dann schieben wir der Reihe nach die Räder durch und zu guter Letzt schlängeln sich Dominik und Peter an der Barriere vorbei, um endlich im „gelobten Land“ zu stehen. Wir haben es tatsächlich geschafft. Wahnsinn! Aber, hat uns jemand beobachtet? Haben wir gerade Landfriedensbruch begangen? Wir sollten das auf keinen Fall irgendwo auf Facebook oder in einem Blog im Internet posten. Mit einem mulmigen Gefühl gehen wir die letzten 3km Stein- und Schotterpiste an, steigen zwischenzeitlich immer wieder ab um an ein paar Stellen zu schieben, weil die Pannengefahr zu groß ist. Was erwartet uns nur unten? Ein Grenzposten, bei dem uns der kroatische Grenzschutz bereits erwartet? Noch eine Kurve, dann haben wir die Antwort. Die Straße endet direkt an einem Bauernhof. Der Bauer ist gerade mit Arbeiten am Haus beschäftigt und wirft uns nur einen flüchtigen, gleichgültigen Blick zu. Direkt danach haben wir wieder Asphalt unter den Füßen und stehen auf unserer Idealroute. Ufff, geschafft!! Tief durchatmen und einfach weiterradeln. Am bemerkenswertesten ist übrigens, dass wir durch dieses Offroad-Stück ohne Platten durchkamen.

 

Und eines sei zudem noch gesagt: Wer die Strapazen einer Flucht übers Mittelmeer überlebt und sich bis nach Kroatien vorgekämpft hat, der kapituliert sicherlich nicht an dieser Barriere und sagt: Mist, wäre schön gewesen in die EU zu kommen, aber an dem Tor komm ich leider nicht vorbei, deswegen drehe ich wieder um…

 

Aber jetzt wollen wir uns wieder auf das Sportliche konzentrieren, denn bis Porec haben wir noch über 70km vor uns. In der hügeligen Landschaft müssen wir erst noch ein, zwei Anstiege bewältigen - an einer richtigen Grenzstation, die wir allerdings nur kreuzen und nicht passieren müssen, schließlich sind wir ja bereits in Kroatien, öffnet sich uns dann der Blick. Zu unserer Freude geht es dann erst einmal ein paar Kilometer bergab nach Buzet. Dort machen wir an einem Supermarkt Rast und gönnen uns ein kaltes Bierchen - alkoholfrei versteht sich. Dazu gibt's herzhafte und süße Teilchen sowie frisches Wasser. Von Buzet geht es weiter nach Motovun, eine  Ortschaft, die auf einem Hügel thront und besonders von Gourmets aufgrund der Trüffel, die in der Region vorkommen, aufgesucht wird. Für uns bedeutet die Ortschaft jedoch keinen kulinarischen Stopp, sondern erneut bergaufkraxeln - Kette links ist angesagt. Es ist der letzte größere Anstieg, der uns auf dem Weg zum Meer noch im Weg steht. Nach Motovun zieht sich zwar die Straße noch ein wenig weiter bergauf, wir sind jedoch alle so motiviert, dass wir bereits um das Ortsschild sprinten. Wer diesen Sprint gewonnen hat, müssen wir nicht extra erwähnen, oder? Am Kreisverkehr in Karojba sind wir schließlich oben - um seine überschüssige Energie loszuwerden, dreht Peter ein paar Zusatzrunden in Kreisel. Vielleicht will er so noch die 200km Marke knacken? Man weiß es nicht. Jetzt rückt das Ziel immer näher: Porec 21km, Porec 17km, Porec 13km. Ortschaft um Ortschaft arbeiten wir uns vor. In Visnjan, wo wir die Autobahn überqueren, sind es nur noch 10km - gefühlt ist das unsere „Flamme rouge“. Fabian gibt nochmal alles im Wind und so fliegen wir dem Ziel näher. Und dann liegt die blaue Lagune und die Altstadt von Porec auf einmal vor uns. Wir haben es also tatsächlich geschafft! Noch zwei Schlenker und wir stehen pünktlich zum Grillabend am Ferienhaus in Veli Maj. Dobrodosli!

 

Fazit

Wir sind also wirklich mit dem Fahrrad nach Kroatien ans Meer geradelt. Was viele Deutsche mit dem Auto oder Wohnmobil an einem Tag schaffen, haben wir in fünf Tagen vollbracht. Aus eigener Kraft. Mit Großglockner und Vrsic-Pass als Extra-Hürden. Und statt Stau am Karawankentunnel hatten wir eben Komplikationen beim Grenzübertritt. Im Fokus stand bei dieser Tour sicherlich das Ziel: Porec, dort wollten wir hin. Und das haben wir erfolgreich geschafft. Die Etappen waren sehr lang und die Wege nicht immer autoarm oder für Rennradreifen konzipiert. Der Großglockner war mächtig - den werden wir sicherlich noch einmal, wenn möglich ohne Rucksack, fahren. In Slowenien hatten wir am Vrsic-Pass ein wenig Pech mit den Baustellen, das war schade. Aber das Land und die Region rund um die Wintersporthochburgen Kransjka Gora und Planica ist traumhaft. Hier bietet sich ein längerer Aufenthalt in einem der Orte an, um von dort zentral mehrere Tagesetappen zu starten. Genauso ist es in Kroatien. Es ist sicherlich klüger in Kroatien Rad zu fahren, als nach Kroatien. Istrien hat schnuckelige Orte, die für Rennradfans auch im Herbst als Destination geeignet sind. Wir werden wieder kommen - aber eher mit dem Auto und dem Rad auf dem Dach.